TKG fordert :Die EU sollte die Türkei bezüglich der Modernisierung der Zollunion, Menschenrechte, Grundrechte Rechtsstaat und Flüchtlingspolitik nicht mehr doppelmoralisch behandeln.
Die Türkische Kulturgemeinde in Österreich (TKG) warnt die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und den Präsidenten des Europäischen Rates Charles Michel aus Wien, die gerade in Ankara sind, um dort mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan unter dem Vorwand über die Modernisierung der Zollunion EU-Türkei die eigentliche Probleme zu vernebeln und damit die Türkei und die demokratische Zukunft ihrer BürgerInnen zu gefährden.
Laut Presseinformationen haben die EU-Spitzen einige Angebote für die Türkei in der Tasche wie die Modernisierung der Zollunion, die für die Türkische Kulturgemeinde (TKG) eigentlich schon längst gelöst geworden sein sollten. Das ist Farce.
Die TKG kritisiert diese Vorgehensweise, da die besagte Modernisierung schon mehrmals von der EU als Druckmittel in den Verhandlungen verwendet worden ist, was von uns als sehr bedauerlich gewertet wird und eigentlich nicht mit den Grundwerten der EU kompatibel ist.
Die TKG fordert die EU auf, die Türkei mit ihren BürgerInnnen und Unternehmen nicht als unwissend, und unbegabt zu verkaufen und den notwendigen Schritt der Modernisierung der Zollunion als gnadenartige Hilfe und Unterstützung der Türkei anzupreisen.
Außerdem sollte die EU ihre Augen auf die Menschenrechte, die funktionierende Gewaltenteilung und den inneren Frieden des Landes werfen und auch auf die Gewährleistung der Meinungs- und Pressefreiheit, was also nicht bedeutet, einfach zuzusehen, wie willkürlich Journalisten aufgrund ihrer kritischen Meinungen anhand eines sogenannten „Terrorparagraphens“ inhaftiert werden.
Überdies sollte die EU mehr darauf achten, dass der Schutz von Frauen und Kindern in der Türkei vorhanden ist und die eigentlich geltenden Gesetze in der türkische Verfassung und EMK angewandt werden. Die EU sollte Druck machen, damit die Türkei so schnell wie möglich die Kopenhager Kriterien wieder erfüllt.
Warum die Zollunion EU-Türkei mit so viel Krach, Druckmitteln und Pokerspielerei schlichtweg nicht modernisiert wird und das obwohl es der EU ebenso Vorteile bringen würde, zeigt eines: Die EU behandelt die Türkei seit 60 Jahren doppelmoralisch. Dies ist auch der Grund, warum die Türkei in diesen extrem nichtdemokratischen Zustand gerutscht ist.
Wir erheben hier im Namen der TKG aufgrund folgender Faktenlage Einspruch:
Die Zollunion zwischen der EU und der Türkei, die am 1.1.1996 in Kraft getreten ist, ist mit der Zeit eine „kannibalistische“ Beziehung geworden, nicht nur für die EU und die Türkei, sondern auch für die österreichischen Unternehmen. Die Modernisierung der Zollunion hat nichts mit der türkischen Vollmitgliedschaft bei der EU zu tun und sollte daher von der EU-Kommission und dem EU-Ratsvorsitzenden getrennt behandelt werden. Für das Wohl der Wirtschaft, in Österreich und der gesamten EU.
Fakt ist: Die Türkei hat mit der Zollunion seit 1996 bis 2011 einen Großteil ihrer nationalen Souveränität nach Brüssel abgetreten, ohne dabei irgendeinen Einfluss bei den multinationalen Entscheidungsprozessen zu haben. Am 1.1.1996 ist die Türkei quasi das inoffizielle Mitglied „zweiter Klasse“ Europas geworden!
Laut der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) sprachen sich 75 % für eine Ausweitung bzw. Modernisierung der EU-Zollunion mit der Türkei aus.
Die Wirtschaftskammer Österreich (WKO) veröffentlichte dazu einen ABC-Indikator zur Türkei, in dessen Rahmen eine Umfrage unter österreichischen Niederlassungen in der Türkei durchgeführt wurde. Laut dieser Umfrage der Advantage Austria der Wirtschaftskammer Österreich antworteten 75 % der Personen als Reaktion auf die Frage ob eine Erweiterung der EU-Türkei Zollunion für die Unternehmen Vorteile bringen würde (z.B. Reduktion der nicht-tarifären Handelshemmnisse, Aufnahme von Dienstleistungen und Agrarerzeugnisse in das Abkommen) mit „Ja“.
Der Warenverkehr zwischen der EU und der Türkei ist im Allgemeinen beschränkt, da bei den Änderungen der Vielzahl der Freihandelsabkommen der EU (zurzeit 40), nicht genug Rücksicht auf die Türkei genommen wurde. Es gibt zwischen der EU und der Türkei keine gemeinsame Handelspolitik, aber eine gemeinsame Zollunion, die modernisiert gehört. Ansonsten werden asymmetrische und antidemokratische Zölle in Rechnung gestellt. Darunter leiden dann beide Partner.
Aufgrund der fehlenden Modernisierung der Zollunion, werden die Schutzmaßnahmen nicht gut genug kontrolliert und möglicherweise werden aufgrund dessen Waren illegal importiert oder es werden illegale Geschäftsbeziehungen eingegangen. Es entsteht also eine Grauzone, die nicht wirklich kontrollierbar ist. Dies entspricht nicht den wirtschaftlichen Interessen der EU und natürlich auch nicht von Österreich.
Die Erweiterung der Zollunion hätte für die Türkei große und dringend benötigte wirtschaftliche Vorteile. Doch insbesondere Deutschland und Frankreich blockieren die Verhandlungen. In Ankara droht dadurch also nicht nur der Verlust diverser Vorteile einer erweiterten Zollunion, sondern es müssen auch die wachsenden Nachteile, welche durch Ungerechtigkeiten in der bestehenden Zollunion vorhanden sind, hingenommen werden und dadurch wird alles dementsprechend immer instabiler.
Der Grund dafür ist eine Unwucht in der Zollunion. Dank ihr können nicht nur EU-Firmen ihre Waren zollfrei in die Türkei exportieren, sondern auch Unternehmen aus Drittstaaten, mit denen die EU Freihandelsabkommen hat. Diese Drittstaaten sind im Gegenzug aber nicht dazu verpflichtet, ihre Märkte für Exporte durch türkische Firmen zu öffnen. Wäre etwa das TTIP-Abkommen zwischen der EU und den USA zustande gekommen, hätte das verheerende Folgen für manche Teile der türkischen Industrie gehabt.
Die EU-Türkei Zollunion in ein Freihandelsabkommen umwandeln
Die Zollunion sollte man daher in ein Freihandelsabkommen umwandeln, welches die aktuellen Zollregelungen zwar beibehält, aber der Türkei ihre volle Handelssouveränität zurückgibt. Denn die hat sie mit der Einbindung in die Zollunion zu großen Teilen an die EU-Kommission abgetreten. Zugleich würde ein solches Abkommen die Planungs- und Rechtssicherheit erhöhen, wovon letztlich auch EU Unternehmen profitieren würden.
Ansonsten exportiert die EU weiterhin fahrlässig Instabilität über die Zollunion in die Türkei. Das ist nicht fair und hat auch nichts mehr mit den Werten der europäischen Union zu tun.
Eine instabile Türkei wird nämlich genau diese Instabilität wieder in die EU, insbesondere auch nach Österreich, zurückwerfen.
Das wollen wir nicht.
Türkische Kulturgemeinde in Österreich (TKG)
Wien, 6.4.2021
Obmann, DI Birol Kilic