WIEN. Die Türkische Kulturgemeinde (TKG) und einige unabhängige Vereine haben gemeinsam mit der Landesabgeordneten der Stadt Wien Safak Akcay den Wiener Bildungsdirektor Heinrich Himmer besucht um die Probleme der Austrotürkischen Kinder in der Stadt zu besprechen.
Die folgenden Vereine und Ihre VertreterInnen haben Ihre Forderungen, Wünsche und Erfahrungen mit einem Positionspapier und Ideen den Wiener Bildungsdirektor Heinrich Himmer überreicht: Türkische Kulturgemeinde in Österreich (TKG), Österreich-Türkischer Studentenverein. Es haben sich um die 16 Vereine gemeldet, die gerne dabei gewesen wären, doch aufgrund der Corona Maßnahmen war die Besucherzahl in den Räumlichkeiten begrenzt. In Zukunft wird eine größere Veranstaltung bei einem Türkischen Verein organisiert werden.
Der Bildungsdirektor Heinrich Himmer bedankte sich für die zahlreiche, jedoch aufgrund der Corona Maßnahmen begrenzte Teilnehmerzahl und sagte Folgendes: „Ich möchte mich herzlich bei den unabhängigen türkischen NGOs in Wien und den TeilnehmerInnen für die offene, konstruktive und zielführende Kritik, die verschiedenen Meinungen und diesen Erfahrungsaustausch bedanken. Wir brauchen solche Begegnungen mehr denn je, denn die Stadt Wien ist unsere gemeinsame Stadt und wir möchten, dass alle Kinder und Jugendliche erfolgreich und glücklich werden. Für uns ist jeder der in Wien wohnt Wiener. Wien ist eine Stadt die fair ist, in der Respekt hochgehalten wird, eine Stadt die sozial, weltoffen und modern ist. Das Positionspapier, das ich bekommen habe, werde ich sehr ernst studieren, damit wir alle Probleme gemeinsam lösen können.“
Die Landesabgeordnete Safak Akcay, die das Treffen mit dem Bildungsdirektor Himmer organisiert hat, bedankte sich bei allen TeilnehmerInnen herzlich und fügte hinzu: „Ich möchte hier eine Brücke für Integration sein, damit die Wünsche, Probleme und Forderungen direkt mit den Verantwortlichen besprochen werden können. Ich stehe für alle Menschen in Wien zur Verfügung, egal woher sie kommen. Ich danke auch dem Bildungsdirektor Herrn Himmer für seine Gastfreundschaft.“
Der Obmann der Türkischen Kulturgemeinde (TKG) Birol Kilic hat das Positionspapier überreicht und die Probleme der austrotürkischen Kinder in Wien mit einem kurzen Vortrag erörtert. Obmann Kilic hat sich bei dem Bildungsdirektor und der Landesabgeordneten für die Geduld bedankt, bei diesen zum Wohle des Zusammenlebens in der Stadt Wien kritischen Worten. Später haben alle Vereine ihre Ansichten und Erfahrungen zum Ausdruck gebracht.
Die Notizen (Forderungen, Ideen etc.) zu dem Gespräch:
- „Chancengleichheit und Gleichbehandlung im Bildungsbereich ist leider nicht optimal und gewünscht gegeben, wenn es ganze Schulen und Klassen gibt, wo der MigrantInnen Anteil über 70% liegt.“
Forderung : Soziale Durchmischung der Klassen
- „Das Lernen erfolgt primär über die emotionale Beziehung. Es gibt leider viele PädagogInnen, welche diese Beziehung, insbesondere zu den Schülern mit Migrationshintergrund nicht aufbauen können, weil ihnen der Bezug zu den Herkunftsländern, der Kultur, der Religion und auch oft der Muttersprache fehlt.“
Forderung: „Massiver Ausbau in der Ausbildung an den Pädagogischen Hochschulen bezüglicher Interkultureller Kompetenzen und vermehrter Einsatz von PädagogInnen mit Migrationshintergrund, welche unbedingt aufgeklärte, progressive und humanistische Haltungen vertreten sollten. Der Staat muss gegenüber jeder Religion neutral bleiben und blind sein . Wir respektieren alle Religionen. Religiöse Einstellung ist Privatsache.“ - „Lernen muss ganzheitlich erfolgen.“
Forderung : Öffnung der Schulen für Experten und themen-übergreifendes Lernen durch Exkursionen zu Firmen, Museen, Behörden, sowie die Implementierung von persönlichkeitsbildenden Maßnahmen (Ethik, Werte, Sexualität, Rollenbilder) in Kombination mit Elternarbeit. Die Eltern müssen unbedingt mehr in den Bildungsprozess mit einbezogen werden.
- „Natürlich ist die Familie ein wichtiger Ort, um Kinder auf die Gesellschaft vorzubereiten und Werte zu vermitteln. Doch was tun wir, wenn Eltern mit dieser Aufgabe überfordert sind oder bewusst andere Werte vermitteln. Die Schulen müssen lernen mehr Demokratie und Säkularität zu wagen. Wer unterrichtet muss Mut und Kompetenz haben über aktuelle politische Themen zu sprechen und auf demokratische, differenzierte Art Pädagogik zu betreiben – ohne Falsches zu tolerieren und ohne zu schnell zu verurteilen. Das heißt: Lehrer müssen in der Ausbildung eine viel größere interkulturelle Kompetenz entwickeln (z.B.: Umgang mit dem anderen Geschlecht, Radikalisierung oder Erziehungsmethoden in den Familien).“
Forderung : „Leider gibt es Lehrer, die diskriminieren und Kinder auf Grund ihrer Herkunft herabsetzen oder negativ bewerten und wenn sie dazu noch mit Ihrer Situation überfordert sind, dann Kinder auch in die Sonderschule abschieben. Solche Lehrer sollte es eigentlich nirgends geben. Aber mit einer Fortbildung zu interkultureller Kompetenz könnte man auch hier Vorurteile abbauen und damit wäre allen Beteiligten geholfen.“
- „Zur Rechten, Pflichten und Demokratie gehört heute auch unbedingt eine starke Medienkompetenz.„Heranwachsende leben zwar alle mitten in der Mediengesellschaft, können aber oft zwischen einer Nachricht und einer abstrusen Verschwörungstheorie nicht unterscheiden. Im Ozean der Daten, in der Sinn und Unsinn nebeneinander schwimmen, muss man ihnen beibringen, richtig zu fischen.
Forderung : Was ist genießbar und was nicht? Was sind Fakten und was Gerüchte, was ist Hetze? Es muss eine konstruktive Diskussion über das Geschehen in den Nachrichten und über Weltpolitik stattfinden, damit junge Menschen lernen, kritisch zu denken und sich eine eigene differenzierte Meinung zu bilden.Dazu gehört auch immer die Metakommunikation über Medien, etwa darüber, wie man seriöser von unseriöser Berichterstattung unterscheidet. Gerade in virtuellen Räumen haben die Feinde der Demokratie und des Rechtsstaats überproportional großen Einfluss. Das muss sich dringend ändern, um die Jugendlichen mit Gegennarrativen zu gewinnen oder zurückzugewinnen.“
- „Eine aktive Elternarbeit mit einem direkten, mutigen und klaren Dialog, der keine falsche Toleranz gegenüber undemokratischen Haltungen zeigt, ist auch sehr wichtig. Um allen Kindern und Jugendlichen demokratische Grundwerte und soziale Kompetenzen vermitteln zu können, braucht es den Ethikunterricht und am besten ab der 1. Klasse. So lernen Kinder die Vielfalt an Weltanschauungen und Glaubensrichtungen kennen. Im Ethikunterricht sollten auch Themen, wie das Verhältnis der Religionen untereinander, die Menschenrechte und ihre Entstehung und die Reche von Individuen gegenüber Gruppen, angesprochen werden.“
Forderung : Die Kinder sollten zu wehrhaften Demokraten und Verfassungspatrioten ausgebildet werden.
7. Weitere Empfehlungen, die von Expertinnen und Eltern an uns weitergereicht wurden, sind folgende Punkte gewesen :
- „Ideologische Orientierung der FachinspektorInnen ist eine Gefahr für die Qualität des IRU“
- „Intensive Beobachtung des IRU durch die Schulleitungen“
- „An der KPH unterrichten weiterhin leider Dozenten, die die Säulen des politisierten Glaube in Wien sind“
- „Isolierung der SchülerInnen in bestimmten Bezirken müssen aufgebrochen werden: Physisch mittelfristig nicht möglich, aber Aktivitäten in anderen Bezirken können in Anspruch genommen werden.“
„Das Sprachproblem ist kein technisches, sondern ein emotionales Problem, daran muss man arbeiten, damit Kinder mehr Freude an der Sprache empfinden.“