Wir sitzen im Allerheiligsten des großen Hamburger Importhauses, von dem hinüber zur Levante und herüber tausend Fäden spinnen. Der Chef, ein typischer Inselgrieche, klug, agil, mit allen Wassern des Orients und Okzidents gewaschen, gestikuliert überlebhaft und brennt sich alle Augenblicke einen frischen Papyros an. Natürlich dreht sich unser Gespräch ums „Geschäft“.
„Glauben Sie, daß der deutsche Kaufmann eine Zukunft hat in Ihrer Heimat?“ frage ich den vielgewandten Mann, der alle Kniffe und Pfiffe im orientalischen Handel kennt wie seinen Kassenschrank.
„Zweifellos, wenn er endlich lernen wird, die Leute da unten zu nehmen, wie sie genommen sein wollen. Wissen Sie aber, wie der Levantiner Ihre Landsleute nennt? Geizhälse! Sie lächeln ungläubig. Aber beobachten Sie mal in den Speise- und Kaffeehäusern Smyrnas oder Beiruts die verächtlichen Mienen der Türken, Griechen, Armenier, wenn der deutsche „Geschäftsfreund“ seelenruhig bloß die eigene Zeche bezahlt, anstatt den andern freizuhalten. Da liegt der Hase im Pfeffer!
Der deutsche Reisende glaubt, es genüge die Güte und Billigkeit seiner Waren darzutun, und spielt dann, im persönlichen Verkehr, den Zurückhaltenden. Meine Landsleute wollen aber, naiv wie sie in solchen Dingen sind, in Liebenswürdigkeiten eingewickelt, verwöhnt, regelrecht poussiert werden, wenn man sie als Kunden gewinnen will. Dann wird man aber auch Sachen an sie los, die lange nicht so gut und wohlfeil sind wie Ihre deutschen. Nehmen Sie dagegen z.B. den englischen oder französischen Importeur. Der geht in die Familie seines Kunden, tut da, als wäre er bei lieben Freunden, überschüttet die Leute mit Aufmerksamkeiten, und eins, zwei, drei hat er seinen Auftrag in der Tasche. Er disponiert eben mit dem Geld geschickter als der Deutsche. Allerdings muß man auch berücksichtigen, daß diese Nationen schon viel länger in der Levante arbeiten als Ihr.
Der Türke ist streng konservativ und bestellt mit zähem Eigensinn immer wieder bei solchen Firmen, die er von klein auf kennt; er sagt sich: warum soll ich mit andern Fabrikaten Experimente machen? Ich bleibe am besten bei der Firma, mit deren Ware ich zufrieden bin. Es ist riesig schwierig, solchen Hinterwäldlern einzubleuen, daß die Zeit vorwärts schreitet, und daß es töricht ist, die Konkurrenz nicht zu beachten.“
Aus dem Archiv der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg. resolver.sub.uni-hamburg.de/goobi/PPN833045369_1912