Ausgewählt

Ratten und Moskitos: Zur Gleichsetzung von Menschen mit Tieren in Texten, Bildern und Geschichte

Bemerkungen und Zitate zum Vergleich von Menschen mit Tieren, zur Frage, ob „Ratte“ als Bezeichnung von Menschen eine Beschimpfung sei, zur Technik der Dehumanisierung von als feindlich oder schädlich bezeichneten Menschengruppen durch deren Gleichsetzung mit Tiere.

 

„Ratten und Moskitos“

 

http://www.krone.at/oesterreich/geheimdienst-legende-sperrt-eure-grenzen-zu-entfuehrte-eichmann-story-538016

 

diepresse.com/home/politik/innenpolitik/5114249/Der-EichmannJaeger-bei-Strache


http://www.wienerzeitung.at/meinungen/blogs/juedisch_leben/854789_Vereinnahmung.html


https://www.youtube.com/watch?v=DgDM5ox_SUk

 

 

Zur Gleichsetzung von Menschen mit Tieren in Texten, Bildern und Geschichte

 

Zur Verwendung von solchen Diffamierungstechniken, insbesondere auch der Gleichsetzung von bis hin zum millionenfachen Massenmord verfolgten Menschengruppen mit Tieren, insbesondere auch mit Ratten, durch nationalsozialistische Propaganda, sowie Erwägungen zum Ratten-Plakat der SVP in der Schweiz zur Abstimmung am 16. Mai 2004 und am 7.November  hat das FPÖ-Bildungsinstitut lud Montag Abend zu einem Podium zum Thema „Haben wir aus der Geschichte gelernt? Neuer Antisemitismus in Europa“ ins Grand Hotel in Wien wo man folgende Sätze über Moslem leider unter anderem auch verwendet hat: „Moskitos! „Moskitos mit Moslem“ „Versucht nicht, Tausende Moskitos zu erschlagen, legt den Sumpf trocken.“  als Experte in Wien zu vergleichen ist Menschenunwürdig und Entmenschlichung .

Der Vergleich von Menschen mit Tieren ist in vielen Kunstformen und Textgattungen gang und gäbe. So empfiehlt die Bibel beispielsweise, klug wie die Schlange und sanft wie die Taube zu sein, oder sie vergleicht reiche Menschen mit Kamelen (und die Himmelspforte mit einem Nadelöhr), um die Situation vermögender Menschen beim Übertritt ins ewige Leben gemäss christlicher Vorstellung bildlich auszudrücken. Fabeln im Stil von Äsop, Phädrus oder Lafontaine führen Tiere vor, welche wie Menschen sprechen und handeln. Diese Fabeln dienen der Veranschaulichung von moralischen und psychologischen Problemstellungen unter Menschen und sind nicht beleidigend, sondern lehrreich, allerdings nicht auf dem Gebiet der Zoologie, deren Erkenntnisse sie spielerisch ignorieren.

Herrscher oder Völker werden in Texten, Bildern und in der Heraldik mit Löwen, Adlern, Stieren, Bären oder Steinböcken verglichen und teilweise auch gleichgesetzt, oder auch mit Phantasietieren wie Drachen oder Doppelkopf-Adlern. Solche Vergleiche sind nicht beleidigend, sondern sie sollen Macht, Stärke, Tugend oder Tradition der Verglichenen anschaulich machen. Derartige bildliche Darstellungen oder Text-Metaphern werden von den mit ihnen Assoziierten mit Stolz betrachtet und oft selber in Auftrag gegeben.

 

In den verschiedenen Kulturen auf dem vielfältigen Planeten Erde gibt es demgegenüber auch zahlreiche Tiervergleiche und Gleichsetzungen von Menschen mit gewissen Tieren, welche als Beleidigungen wirken und meist auch bewusst als solche ausgesprochen werden. Diese beleidigende und beschimpfende Wirkung des Vergleichs und noch mehr der Gleichsetzung der angesprochenen Menschen mit solchen Tieren hat, wie bei der Fabel, ebenfalls wenig oder nichts mit zoologisch beobachtbaren Eigenschaften dieser Tiere zu tun, sondern mit kulturspezifischen Traditionen. Für Europa und die Schweiz von Belang sind in diesem Zusammenhang Traditionen, welche den Vergleich oder die Gleichsetzung von mit solchen Vergleichen oder Gleichsetzungen Angesprochenen mit gewissen Tieren als besonders beleidigend erweisen. Es handelt sich dabei um Tiere, welche in einer anthropozentrischen Aufteilung in sogenannte „Nützlinge“ oder „Schädlinge“ auf beiden Seiten dieser Skala figurieren können. Tiernamen, welche in unserer Kultur in diesem Sinn zur Beleidigung oder Beschimpfung von Menschen eingesetzt wurden und werden, sind beispielsweise Kuh, Kalb, Esel, Kamel, Ziege, Schaf, Schwein, Filzlaus, Zecke, Hund, Affe oder Ratte.

Im Zusammenhang mit dem Ratten-Plakat der SVP vom 9. Februar 2004 und des beschimpfenden Gebrauchs des Wortes Ratte als Bezeichnung für Menschen ist folgende Ausführung der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden klärend:

„Das Simplex Ratte bezogen auf den Menschen ist ausschließlich negativ besetzt und gilt als grobes Schimpfwort.“

(Zitat nach der Homepage der Gesellschaft für deutsche Sprache, Stand 20. Februar 2004).

 

Diese Formulierung weist darauf hin, dass einige Verbindungen oder Composita, also Wörter, von denen der Begriff Ratte nur einen Teil bildet, auch neutral oder gar positiv und nicht beleidigend verwendet werden können, z.B. „Ballettratte“, „Leseratte“ oder „Wasserratte“.

Die Verwendung von Tierbezeichnungen zur Bezeichnung von einzelnen Menschen oder auch von Menschengruppen kann neben dem Zweck von deren Beschimpfung auch weiter gehende Attacken gegen die Beschimpften begleiten oder auslösen. Insbesondere wenn einzelne Menschen oder Menschengruppen als Feinde mit einem Feindbild belegt werden, welches die Attackierten als schimpfliche Tiere und somit nicht mehr als Menschen, sondern als mit negativen Assoziationen verbundene Lebewesen ohne menschliche Würde und menschliche Rechte darstellt, können solche Beschimpfungen den Anfang einer Behandlung der Attackierten machen, welche diesen gegenüber die Gebote des Respekts vor der Menschenwürde, den Menschenrechten, dem Existenzrecht und schliesslich oft auch vor dem Leben und physischen Dasein der solcherart angefeindeten Menschen oder Menschengruppen ausser Kraft setzt. Dies wiederum kann zu entwürdigender und sadistischer Behandlung bis hin zu Folter oder Massenmord an den attackierten Menschen und Menschengruppen gehen, wie die Geschichte mehrfach zeigte.

 

Der amerikanische Literaturwissenschaftler und Philosoph Richard Rorty von der Universität Stanford, USA, schreibt zum Selbst- und Fremdenbild von Menschen, welche andere Menschen mittels Tiervergleich und der Gleichsetzung mit Tieren dehumanisieren und in der Folge oft auch unmenschlich behandeln, folgendes:

„Sie alle meinen, die Grenze zwischen Menschen und Tieren sei nicht einfach identisch mit der Grenze zwischen ungefiederten Zweifüssern und sonstigen Lebewesen. Vielmehr verlaufe diese Grenze zwischen einer Gruppe ungefiederter Zweifüsser und einer anderen Gruppe; denn es gebe Tiere, die in menschenähnlicher Gestalt herumlaufen.“

(Zitat aus Richard Rorty: Menschenrechte, Vernunft und Empfindsamkeit, in: Richard Rorty: Wahrheit und Fortschritt, Frankfurt a. M. 2003, S. 241-268, S.2 42)

 

Die Nationalsozialisten gehörten seit der Ausarbeitung der theoretischen Grundlagen und praktischen Ziele dieser politischen Bewegung durch ihren Führer Adolf Hitler in dessen Buch „Mein Kampf“ zu jenen, welche ihre Feinde mit dehumanisierenden Feindbildern belegten und zu deren Vernichtung aufriefen, bis sie nach ihrer demokratischen Wahl in hohe Staatsstellen sowie anschliessender terrroristischer und diktatorischer Machtergreifung sowie organisatorischem Aufbau entsprechender Machtmittel schliesslich in der Lage waren, die mit solchen Feindbildern belegten Menschengruppen nicht mehr nur verbal, sondern auch physisch zu attackieren und millionenfach zu ermorden. Unter solche Feindbilder und demgemäss in die Vernichtungsmaschinerie der nationalsozialistischen Diktatur gerieten Juden, Roma, Sinti und Jenische, Afrikaner, Menschen slawischer Muttersprache, politisch Linksstehende, Geisteskranke, Zeugen Jehovas, Homosexuelle, körperlich und geistig Behinderte, bekennende Christen und viele andere. Zu den Feindbildern, welche Hitler schon in seiner programmatischen Schrift „Mein Kampf“ verwendete, gehört die Gleichsetzung von Juden mit Ratten. Adolf Hitler schilderte Interessen- und Verteilungskämpfe, wie sie in allen Völkern vorkommen, mit ausschliesslichem Bezug auf die Juden in folgenden Worten:

„Aus dem einigen Volk wird im Handumdrehen eine sich blutig bekämpfende Rotte von Ratten.“

(Adolf Hitler, Mein Kampf, München 1924 ff., S. 331).

Hitler setzte somit das jüdische Volk mit Ratten gleich.

 

Die Wege, welche Hitler zunächst als Putschist, dann als in einem demokratischen System agierender Populist, anschliessend als brutaler Diktator suchte und fand, um seinem Ziel näher zu kommen, nämlich der Vernichtung der von ihm gehassten Menschengruppen, sind in vielen geschichtswissenschaftlichen Abhandlungen nachzulesen.

Während allen Phasen der nationalsozialistischen Attacken auf diese Menschengruppen kam es immer wieder zu Vergleichen und Gleichsetzungen der Attackierten mit Tieren, so mit Ratten, mit Insekten, oft auch mit dem Sammelbegriff „Ungeziefer“ für als „Schädlinge“ eingestufte Lebewesen; ein grosser Teil der Attackierten wurden schliesslich auch mit chemischen Mitteln, welche ursprünglich gegen Insekten in Haushalten oder Gastronomiebetrieben entwickelt und eingesetzt wurden, umgebracht, so insbesondere mit dem Gift der Marke „Zyklon B“. Auch dazu existiert umfangreiche und genaue Literatur.

Nicht nur Adolf Hitler, sondern auch seine Mittäter bezeichneten die von ihnen angefeindeten Menschengruppen immer wieder entweder direkt als Tiere, wie Hitler das jüdische Volk als „Rotte von Ratten“, oder aber als „Untermenschen“ ohne Anspruch auf Menschenwürde und Menschenrechte, dafür mit tierähnlichen Eigenschaften.

 

So heisst es in der ersten Phase der nazistischen Judenverfolgung in einem Memorandum der Abteilung IV/2 des SS-Sicherheitsamts zuhanden seines Leiters Reinhard Heydrich vom 24. Mai 1934:

„Den Juden sind die Lebensmöglichkeiten – nicht nur wirtschaftlich genommen – einzuschränken. Deutschland muss ihnen ein Land ohne Zukunft sein, in der wohl die alte Generation in ihren Restpositionen sterben, nicht aber die junge leben kann, so dass der Anreiz zur Auswanderung dauernd wach bleibt. Abzulehnen sind die Mittel des Radau-Antisemitismus. Gegen Ratten kämpft man nicht mit dem Revolver, sondern mit Gift und Gas. Der aussenpolitische Schaden der Strassenmethoden steht in gar keinem Verhältnis zu dem örtlichen Erfolg.“

(Auszug aus dem Memorandum SD IV/2 an Heydrich, 24.5.1934; der ganze Text ist abgedruckt in: Die Judenpolitik des SD 1935-1938, Eine Dokumentation, herausgegeben von Michael Wildt, München 1995, S. 66-69.)

Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels schrieb am 14. März 1945, im Rückblick auf den inzwischen brutal durchgeführten Massenmord an Juden und anderen von den Nationalsozialisten verfolgten Menschengruppen mit Gift, Gas und sonstigen mörderischen Mitteln, in sein Tagebuch:

„Es ist nötig, diese Juden wie Ratten auszurotten, ein für alle Mal.“

 

Da es jedoch immer wieder, selbst unter den Bedingungen der Nazi-Diktatur, Menschen gab, welche Menschen aller Gruppen weiterhin als Menschen und nicht als Ratten, Ungeziefer oder Giftpflanzen betrachteten, unternahm die Nazi-Propagandamaschinerie teure Anstrengungen, um diese rassistische Betrachtungsweise mit Hilfe von Texten, bildlichen Darstellungen und Filmen zu propagieren.

So erschien 1938 im Stürmer-Verlag von Julius Streicher ein gereimtes Kinderbuch mit Texten von Ernst Hiemer unter dem Titel „Der Giftpilz“, welches jüdische Menschen mit giftigen Pilzen gleichsetzte und worin unter anderem folgende Zeilen standen:

„Er schächtet Tiere, schächtet Menschen, Es kennt sein Blutdurst keine Grenzen! Es wird die Welt erst dann genesen, Wenn wir vom Juden sie erlösen.“

Es handelt sich dabei um ein Bild-Text-Konstrukt, welches die jüdischen Menschen diesmal nicht mit als „Schädlinge“ eingestuften Tieren, sondern mit giftigen Pilzen gleichsetzte. Die Botschaft, ihnen ihre Menschenwürde abzusprechen und sie als angebliche Gefahr wie andere als schädlich eingestufte Lebewesen zu vernichten, blieb die gleiche.

Die berüchtigtste bildliche Gleichsetzung von Menschen, wiederum von Juden, mit Ratten in der Nazi-Propaganda ist der Film „Der ewige Jude“, von Fritz Hippler 1940 im Auftrag von Goebbels Propagandaministerium in die Kinos gebracht. „Der ewige Jude“ ist ein Paradebeispiel audiovisueller Manipulation. Joseph Goebbels sah ihn selbst als sein „propagandistisches Meisterstück“ an. Vergleich und Gleichsetzung von Juden und Ratten in unmittelbar aufeinander folgenden Filmsequenzen sind ein zentraler Teil des Films. Vergleichspunkt der Gleichsetzung ist die Schädlichkeit von Ratten, welche gespeicherte Vorräte fressen, mit der angeblichen Schädlichkeit jüdischer Menschen. Zweck der propagandistischen Darstellung ist hier wie in den ähnlichen Konstrukten die Darstellung der Juden als schädliche Tiere, um ihre unmenschliche Verfolgung zu propagieren.

 

Das Ratten-Plakat der SVP hat vordergründig nicht den Zweck, die in diesem Bild-Text-Konstrukt mit schädlichen Ratten gleichgesetzten Linken der Vernichtung anheim zu stellen. Sondern es gibt vor, ein sinnvoller Beitrag zur einer am 16. Mai 2004 stattfindenden demokratischen Abstimmung über eine politische Sachfrage im rechtsstaatlichen Rahmen zu sein.

Eben dies ist es jedoch nicht. Es nimmt nicht informierend Stellung zur Frage, ob und wie in der Schweiz eine Alters- und Hinterbliebenenversicherung (AHV)zu finanzieren sei.

Hingegen stellt es offenkundig tatsachenwidrige Behauptungen auf, so etwa, die linken Kräfte in der Schweiz wollten die AHV zerstören. Es ist aber durch zahlreiche Quellen und historische Darstellungen belegt, dass es die linken Kräfte waren, welche diese Einrichtung in der Schweiz immer wieder forderten, so z.B. im Generalstreik von 1918, während die rechten Kräfte in der schweizerischen Politik, auch die Bauern-Gewerbe- und Bürgerpartei, eine Vorläuferorganisation der heutigen SVP, solche Forderungen ablehnten und bekämpften, bis sich 1947 in einer Abstimmung die linken und sozialstaatlich orientierten Kräfte durchsetzten. Es blieb seitdem eine stete Position der Schweizer Linken, die AHV zu erhalten, auszubauen und zu finanzieren. Hingegen gab und gibt es in letzter Zeit in der Schweiz Stimmen von rechts, welche den Schweizer Sozialstaat und auch die ihrer Auffassung nach gemäss einem unangemessenen sogenannten „Giesskannenprinzip“ ausbezahlte AHV in Frage stellen wollen, weil sie ihre eigenen, in der Regel eher hohen bis sehr hohen, Einkommen durch die diesbezügliche sozialstaatliche Steuer- und Abgabenlast geschmälert sehen. Es waren, dies zu einer weiteren tatsachenwidrigen Behauptung auf dem Ratten-Plakat der SVP, auch zumeist Akteure aus diesen Kreisen, welche durch sogenannte „Gesundschrumpfungen“ und Massenentlassungen Zehntausenden von Arbeitsplätzen vernichteten.

 

Vor allem aber bildet das Rattenplakat der SVP, anknüpfend an eine rassistische und eliminatorische Bildsprache und an ebenfalls rassistische und eliminatorische sprachliche Vergleiche, Gleichsetzungen und Wertungen, wie sie auch aus ähnlichen Machwerken der Nazi-Propaganda sprechen, eine Beschimpfung einer grossen Menschengruppe unter Negierung und Absprechung von deren Würde und Rechten als menschliche Wesen, indem es dieser Gruppe vorwirft, „unser Land“, welches die SVP in der Darstellung dieses Plakats offenbar als „ihren Geldbeutel“ betrachtet, „ruinieren“ zu wollen, sie als angebliche Landes-Schädlinge anspricht und mit Ratten, welche Schaden anrichten, gleichsetzt.

Die hier beanstandete Art der bildlichen und textlichen Diffamierung von Mitmenschen und Andersdenkenden als tierische Schädlinge, wie sie das Rattenplakat der SVP und seine Urheber und Verbreiter vornehmen, ist in einem demokratischen, menschenrechtlich und antirassistisch fundierten Staat respektive in einer Zivilgesellschaft mit diesen Werten nicht tolerierbar und steht in Konflikt mit verschiedenen gesetzlichen Vorschriften und Normen, welche in der Schweiz auch unter Justiz-Vorsteher Bundesrat Dr. Christoph Blocher, SVP, zu gelten haben.

 

Zürich, 8. März 2004

 

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