TKG: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt und die der neuen Türkis-Grünen Bundesregierung“
Die Türkische Kulturgemeinde in Österreich (TKG) wünscht Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler sowie allen türkis-grünen Regierungsmitgliedern viel Erfolg.
„So sind wir nicht…“
Die Republik Österreich erlebte ab 27. Mai 2019 die turbulentesten Zeiten, seit der Gründung der 2. Republik, welche nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland für große Aufmerksamkeit gesorgt hat. Dunkle Schatten wurden über unser Land, durch eine ungeahnte Dimension der Verantwortungslosigkeit, geworfen. Unser Land hat massiv an internationaler Reputation eingebüßt. Die Worte des Bundespräsidenten brachten es zum Ausdruck : „So sind wir nicht…“.
Österreich ist seit dem 27. Mai 2019 mit dem Bekanntwerden des Ibiza Skandals nicht mehr das alte Österreich. Die alten Zeiten sind Vorbei. Hier wurden politische und menschliche Abgründe – über diesen Ibiza-Skandal hinaus – sichtbar, welche die Republik in ihren Grundfesten und das Vertrauen der Bürger massiv erschüttert haben.
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt und die der neuen Türkis-Grünen Bundesregierung. Die Würde vieler Menschen wurde durch Verhetzungen und Diskriminierungen in Österreich verletzt, welche viele in Sorge und Trauer, aber auch Wut versetzt hat. Rassistische Hetze verbreitete sich in den letzten Jahren immer mehr in sozialen Netzwerken, in Medien durch diverse Publikationen und der Art der Berichterstattung, auf der Straße, am Arbeitsplatz, in der Schule, aber auch bei Ämtern, genährt durch eine Politik des Auseinanderdividierens und der Polarisierung. Verfassungsnorm und Lebenswirklichkeit klaffen auseinander.
„Die Würde des Menschen, ‚der Menschen‘, wird angetastet und angegriffen. In Österreich – ständig, jeden Tag, irgendwo. Das Gift der Hetze verbreitet sich langsam und schleichend. Es wird gekränkt und gepöbelt, und von der Seitenlinie wird darüber ausdrücklich Verständnis zu Protokoll gegeben. Beleidigungen, Verwünschungen, Diskriminierung, Diskreditierung, frei erfundene Lügengeschichten, Hetze, Todesdrohungen, Selbstjustiz, Banalisierung, Relativierung und Leugnung von Geschichte – all die drastische Verrohung von Sprache und Umgang, die immer mehr um sich greift: Ist das das Klima, ist das der Umgang, ist das das Land, das wir in Österreich wollen? Natürlich würde die ganz große Mehrheit im Land sagen: Nein! Erst die Sprache, dann die Tat. Und aus den Echokammern des Netzes brandet Beifall auf. Völkischer Hass nimmt alles ins Visier, was ihm nicht passt. Einzelpersonen, Mitglieder der Zivilgesellschaft, ganze Bevölkerungsgruppen: Geflüchtete, Ausländer, Muslime, Juden, Frauen, Linke, Homosexuelle, Transsexuelle, Umweltaktivisten. Faktisch werden immer weitere Kreise der Bevölkerung stigmatisiert. Ein Anspruch und ein Ideal, geboren aus den Schreckenserfahrungen von Holocaust und Weltkrieg. Aber die Diskrepanz zu unserer Realität ist krass.“ schreibt ein Künstler. Wir stimmen zu.
Wir fordern klare Differenzierungen
Jene Mitbürger, welche die Vorzüge einer offenen Gesellschaft und der Demokratie zu schätzen wissen, muss die Politik auch die Möglichkeit und das Gefühl vermitteln, Willkommen zu sein und mitgestalten zu können. Ebenso braucht es eine Politik der klaren Differenzierung, gegenüber jenen reaktionären Kräften, welche unsere Freiheiten und humanistische Grundhaltung missbrauchen.
Viele Menschen, welche aus der Türkei abstammen (ca. 240.000 -300.000 Mitbürger) und die Mehrheit der Muslime (ca. 700.000), aber ebenso viele andere mit Migrationshintergrund (ca. 1,8 Millionen) erlebten in den letzten Jahren eine deutliche Verschärfung und Polarisierung des gesellschaftlichen Klimas.
Die Republik Österreich braucht keine „Blender“ und „Helden“, sondern anständige und tugendhafte Persönlichkeiten, welche ohne parteipolitische, taktische oder persönliche Präferenzen unserer Republik in Demut dienen und unser schönes Österreich nicht als Selbstbedienungsladen für die Versorgung von Gefolgsleuten, Vertrauten und Apparatschiks ausnutzen. Der Bundespräsident Dr. Alexander Van der Bellen hat es richtig auf den Punkt gebracht: „Macht braucht Balance. Macht braucht Kontrolle. Macht ist Mittel und nicht Zweck.“
Gesellschaftlichen Frieden nicht aufs Spiel setzen
Diesen befremdlichen Entwicklungen müssen wir uns gemeinsam entgegenstellen, allen voran die Bundesregierung, der Nationalrat, die Zivilgesellschaft und die Bürger unseres Landes, wenn wir unseren gesellschaftlichen Frieden nicht aufs Spiel setzen möchten. Eines ist glasklar: nur gemeinsam sind wir stark. Wir dürfen uns nicht wegen Herkunft, Abstammung, Ethnie oder Religionsgemeinschaft auseinander dividieren lassen!
Durch die demographischen Veränderungen, bedingt durch die Migration (knappe 1,8 Millionen Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Migrationshintergrund in Österreich), hat sich auch unsere Gesellschaft verändert. Gerade deshalb brauchen wir eine Politik, welche das Gemeinsame vor das Trennende stellt, ohne alles gleich zu machen. Ein gesellschaftliches Klima, welche nicht die Menschen gegeneinander in Stellung bringt, sondern jedem die Möglichkeit einräumt Verantwortung für Österreich, für seine unmittelbare Lebensumgebung und auch für das Herkunftsland zu übernehmen.
Die TKG wünscht der neuen Bundesregierung Weitsicht und Ausdauer.
Wir werden weiter ein sehr aufmerksamer und kritischer Beobachter sein.
Türkische Kulturgemeinde in Österreich(TKG)
Bild: (c) Twitter Werner Kogler